Offene NRW-Einzelmeisterschaften in Krefeld - Schach als "Leiden"schaft!
- janhendrikbahr
- 19. Apr. 2023
- 8 Min. Lesezeit
Über die Osterfeiertage vom 6. bis 10 April 2023 fand im Krefelder Schachclub Turm 1851 e.V die offenen NRW-Einzelmeisterschaften statt. Es ist ein sehr stark besetztes Turnier gewesen mit einem Elo-Schnitt von 1883 und insgesamt 194 gestarteten Teilnehmern. Ich war an insgesamt 137er Stelle gesetzt und kam als 135er ins Ziel an nach 9 Runden und 3,5 Punkten. Man könnte also behaupten meine Form habe sich bestätigt. Aber ich muss sagen, dass ich jetzt auch nach ein paar Tagen nach dem ich dem ganzen Revue passiert habe und der Partieanalysen: Ich bin mit dem Resultat unzufrieden. Andererseits habe ich sehr viel an Erfahrung gewonnen. Meine Schwächen sind einfach in mehreren Partien zur Geltung gekommen und es war ein gewisses Muster zu erkennen. Viele Aspekte sind zum Vorschein gekommen die ich verbessern kann, um in einem so starken Feld zukünftig besser mithalten zu können.
Aber gehen wir doch chronologisch vor. In der ersten Runde bekam ich es mit einem starken Gegner zu tun mit einer DWZ von über 2100 war er über 400 Punkte besser als ich. Ich hatte die weißen Steine und aus der Eröffnung kam ich sehr gut raus. Nach dem 12. Zug im Dameninder hatte mein Gegner gerade Ld6 gespielt und einen Fehler begangen. Tc8 mit durchdrücken von c5 ist hier eine bessere Strategie für Schwarz.

Hier ist jetzt der Zug 13. e4 am besten. Die Engine gibt die Variante Lb7 14. e5 Le7 15. Sg5 Lxg5 16. Lxb7 Lxf4 17. Lxa8 Dxa8 ff. an mit +3,6 Vorteil für Weiß. Ich hatte die Variante nach 13. e4 Lxf4 14. exd5 Lh6 15. dxe6 fxe6 16. Se5 Tc8 berechnet und gedacht es wäre nicht besser, als die Fortsetzung die ich dann gewählt habe. In dieser Stellung e4 zu spielen war aber schon nahe am Gewinn meiner ersten Partie! Ich spielte aber 13. Sg5 worauf er mit g6 reagieren musste und spielte weiter 14. Lxd5 exd5 15. Lxd6 cxd6 16. Sh3 mit dem Ziel den Springer auf f4 zu postieren und die Doppelbauern anzugreifen. Ich habe weiterhin einen kleinen Vorteil behalten aber mein Gegner konnte durch geschicktes Spiel Ausgleich erreichen. Ich dachte mir dann aber, dass ein Remis gegen einen 400 DWZ stärkeren Gegner absolut ok ist und hatte das verdiente Unentschieden in der Hand. Bis zur folgenden Stellung:

Diese Position ist Tot-Remis. Einfach 31. fxg4 Sxg4 32. Sxg4 hxg4 33. Df5 Dxe3 34. Dxg4 ff. passiert nichts mehr. Ich spielte aber 31. e4?? nach gxf3+ 32. Kxf3 De6 33. b3 dxe4+ 34. Sxe4 Df5+ bekomme ich eine Verluststellung und er spielt das dann auch gnadenlos gut runter. Das war schon ärgerlich aber ich habe es dann schnell abgehakt, da die erste Runde im Schweizer System als schlechter gesetzter Spieler sowieso ein Streichresultat ist.
Die zweite Runde war ein "Pflichtsieg". Mein Gegner hatte noch keine DWZ-Zahl aber gerade solche Gegner können gefährlich sein. Ich hatte die schwarzen Steine.

Diese Stellung nach dem 13. Zug von Schwarz. Ich habe gerade g4 gespielt. Es ist eigentlich nichts los. Schwarz möchte gerne seinen Springer auf e4 postieren und danach den Se5 mit f6 vertreiben. Weiß sollte dem zuvorkommen und den Springer auf d7 schlagen. Die Stellung ist ein wenig besser für Schwarz. Es folgte aber ein grober positioneller Fehler mit 14. g3??. Danach ist die Stellung verloren. Ich konnte umsetzen was ich gerade beschrieben habe und den Punkt g3 als Ankerpunkt für meinen Angriff nehmen. Den h-Bauern nach h4 gebracht, vorher die beiden Türme an den Königsflügel. Schwarz wurde im 22 Zug von mir mattgesetzt. Schach kann so gnadenlos sein. Er hat nur diesen einen Fehler gemacht aber den entscheidenden. Ich denke g3 war hier der schlechteste Zug den er machen konnte. Mit 14. c4 gefolgt von Tc1 und Linienöffnung am Damenflügel ist die richtige Strategie für Weiß.
Die 3. Runde ist jetzt Therapie für mich. Ich spielte gegen einen über DWZ 1900 und kam wie immer super gut aus der Eröffnung und hatte nach 13 Zügen und 3,9+ für mich folgende Stellung:

Schwarz stellte gerade seinen Springer auf c5 und griff meinen wertvollen Läufer auf d3 an. Ich dachte hier an 2 Optionen: Entweder ich sichere meinen Läufer mit Lc2. Ich dachte aber, dass er 14.Lxc3 spielt 15.bxc3 und dann Se4 und sozusagen seinen Springer auf e4 einnistet. Ich kann ihn aber sofort mit c4 angreifen. Meine Stellung bleibt einfach gefährlich und Ich kann einen Königsangriff einleiten.
Ich spielte aber 14.Sce2 mit der Begründung meinen Sd4 zu festigen und ihn langfristig auf d4 zu lassen, wo er super steht. Und natürlich das nach dem schlagen des Läufers auf d3 meine Dame schnell aktiv wird und schnell zum Königsflügel kommt. Das ist zwar richtig aber den super weißfeldrigen Läufer hätte ich nicht abgeben dürfen.
Nach dem 22. Zug entstand die folgende wichtige Stellung:

Hier dachte ich lange über 23. a3 nach, mit der Idee b4 nachzulegen. Sein Läufer c5 wird vertrieben und ich habe Druck auf der C-Linie. Der Bauer d4 wird schwach und wird eingesackt. Die Antwort von Schwarz 23. d3 kalkulierte ich 24. Lxc5 dxe2 25. Txd8+ Txd8 26. Lf2 empfand es aber als unklar, vor allem wenn alles visualisiert werden muss am Brett ist es schwer das nachzuvollziehen. Es gab aber eine Antwort, die logisch ist und ich am Brett einfach nicht gesehen habe. Einfach den Springer wegziehen: 23.Sg3 Tac8 (der Springer c6 muss gedeckt werden) 24. a3. Was soll Schwarz machen? Es droht wieder b4 mit Doppelangriff auf seinen Springer c6. Wahrscheinlich muss er Se7 spielen und ich bekomme den d4 und habe eine gute Stellung weiterhin und kann auf Gewinn spielen
Was spielte ich? 23.Sxd4?? Sxd4 24. Lxd4 Txd4 25. Dxa8+ Kh7 26. Df3 und wickelte in ein schlechteres Endspiel ab, dass ich dann auch schnell verlor. Diese Niederlage tat richtig weh! Ich brauchte dann auch ca. 2 Stunden und einer Druckbetankung von 2 Bieren von der Tanke (Karfreitag hatten alle Kioske zu), um wieder runterzukommen.
In der 4. Runde hatte ich wieder einen Pflichtsieg unter Dach und Fach zu bringen gegen einen Gegner unter DWZ 1300. Aber ich hatte meinen Gegner vorher schon beobachtet, da er die vorherigen Runden immer nah bei mir saß. Er ist gefährlich und auch wesentlich stärker als sein Rating. Er hatte in der 2. Runde einen über DWZ 1700 geschlagen, also Vorsicht war angesagt. Ich konnte ihn aber recht gut in Schach halten und meinen 2. Sieg einfahren.
In der 5. Runde hatte ich eine junge Dame mit über DWZ 1900 als Gegnerin. Es kam zu einem interessanten Endspiel im Slawen. Sie konnten einen starken Springer auf d5 postieren und mich im Endspiel gut massieren. Ich musste sehr resourcevoll gegen sie ankämpfen und sie kämpfte es auch bis zum Ende aus. Folgende Stellung nach 47. Tc1 von mir:

Sie kam zu 47. c5 und das setzte mich natürlich nochmal sehr unter Druck, nachdem ich die letzten 20 Züge hart verteidigt habe. Es ging weiter 48. dxc5 bxc5 49. Thh1 cxb4 50. Lxb4 Tb6 51. Tc7+ (dieser Zug war sehr wichtig, aktiver Turm auf 7te Reihe) Kg8 52. Lc3 a6 53. a5 Tb3?
Auf einmal muss sie aufpassen.

Hier wäre von mir 54. Td1 noch ein Versuch gewesen für den vollen Punkt zu spielen. Ich spielte aber 54. Txh6 mit der Hoffnung sie übersieht es. Aber nach Txc3 55. Tg6+ (wichtiger Zwischenzug) Kh8 56. Txc3 Td2+ mit Dauerschach. Endlich in ein gutes Ergebnis umgewandelt gegen eine bessere Gegnerin.
In der 6. Runde hatte ich eine noch jüngere Gegnerin, so ca. 17 Jahre würde ich sagen und auch wieder über DWZ 1900. Den Najdorf-Sizilianer spielte meine Gegnerin sehr aggressiv mit den typischen Bauernsturm auf den Königsflügel. Anfangs konnte ich sie zügeln aber habe es unterlassen meinen König zu rochieren, da ich immer einen Angriffssturm befürchtete. Nach 23 Zügen und ihre letzten Zug 23. Tfd1 dachte ich, es wird Zeit den König zu rochieren und die Türme zu verbinden.

Sobald ich dies tat und dachte der halbe Punkt kann in Sichtweite sein, attackierte sie mich sofort mit den Zügen h4, h5, Th1, Dh2, setzte einen Bauern auf h6 und sperrte meinen einen Turm auf h8 mit ein. Ich muss sagen, dass ich auch schlecht verteidigt habe aber das Lob geht an meine Gegnerin. Sehr stark gespielt und endlich mal verdient verloren :-)
Aber es kommen noch 2 Partien, die ich schön weggeworfen habe.
In Runde 7 gegen einen Gegner mit einer DWZ über 1800.

Er hatte gerade ein Springer gegen 2 Bauern geopfert und jetzt muss ich meinen Springer auf d6 ziehen. Wo gehe ich hin? Sc4, Se4, Sf5 fällt raus, Sxf7 oder Sxb7? Ich denke Sc4 und Se4 sind normale Züge und ich bleibe wohl knapp in Vorteil. Sxb7 gewinnt sofort. Ich hätte schon vorher paar mal auf b7 schlagen können. Insofern hat mein Gehirn diesen Zug ausgeschlossen. Nach 22. Sxb7 Tb8 23. Lc6 muss ich nichts befürchten. Meine Dame geht aus der b-Linie und ich stehe auf Gewinn. Und ich spiele stattdessen 22. Sxf7 nach Dxf7 23. Lg4 De8 24. Lxe6+ Kh8 25. Lf7 De7 26. Lxg6 Tf8 habe ich nicht viel. Das ganze Abspiel sah sehr verlockend aus. Es war aber alles nicht zwingend genug. Er bekam später seinen Bauern wieder und es ging Remis aus.
In der 8. Runde war meine Gegnerin nochmals eine junge Dame aus dem nahe gelegenen Niederlanden. Diesmal habe ich den Najdorf-Sizilianer weggelassen und dieses mal kam das Zweispringer-Spiel im Caro-Kann auf das Brett. Es war eine ausgeglichene Partie. Sie als Favorition (DWZ über 1900) lehnte mein Remisangebot ab und überzog dann ein wenig ihre Stellung. Folgende Stellung kam auf das Brett:

Schwarz ist am Zug. Der Springer auf h5 ist angegriffen und hat 2 Felder f6 und g7. Eines gewinnt locker, das andere remisiert. Welches nehme ich??? Natürlich spiele ich 50. Sg7??und sie sofort Lf7. Wir tauschten dann die Leichtfiguren ab und ich komme nicht durch mit meinem Mehrbauern. Nach 50. Sf6 springt der Springer nach e4 und holt den Bauern d4 ab nach der Route e4 - c3 - e2 -d4. Weiß kann nicht seinen König aktivieren, da er immer auf den Bauern g3 aufpassen muss. Ein klassiches Beispiel für die Überlegenheit des Springers gegenüber den Läufer im Endspiel. Anstatt eines möglichen Sieges also wieder ein Remis.
Die 9. Runde verlor ich dann auch nach einem langen Kampf. Wenn ich diese Runde noch gewonnen hätte, dann wäre es noch alles gut gewesen. Hätte, hätte.... Aber insgesamt hat es in diesen Turnierverlauf reingepasst.
Fazit:
Das Positive ist, dass ich jeweils aus der Eröffnung gut herausgekommen bin und gegen teilweise wesentlich stärkere Gegner bessere Stellung gehabt habe. Zuletzt habe ich auch vermehrt an meinem Eröffnungsrepertoire gearbeitet. Da geht also der Daumen hoch.
Das Negative ist ganz klar die Variantenberechnung. Sich hier zu verbessern ist auch für mein Empfinden mit das komplizierteste im Schach. Häufig spiele ich einfach nach Gefühl und dem Motto "wird schon richtig sein". Natürlich ist die Variantenberchnung auch das anstrengendste im Schach und vor allem ist es auch schwierig in Zeitnot Stellungen zu berechnen. Manchmal auch gar nicht möglich. Ich habe zuletzt angefangen mit Visualisierungstraining. Und will darauf aufbauend in die Variantenberechnung gehen. Was auch ein wichtiger Aspekt ist, sind die Endspiele. Ich glaube, da sage ich nichts neues :-)
Anderes Thema ist die Wettkampfhärte. Insgesamt 9 Runden sind schon ein Marathon und die Motivation hochzuhalten ist schwierig. Ich denke, dass ich da schon ganz gut aufgestellt bin von der mentalen und körperlichen Fitness her. Das Thema ist einfach nur nicht zu entspannen, wenn man in gute Positionen kommt. Das beste Beispiel ist die 8. Runde. Da war auch einfach "Faulheit" dabei, die ganzen Varianten dann auch weiter zu berechnen.
Und schon wirft man eine gute Stellung weg.
Anderer harter Kampf war die 5.Runde. Wo ich wirklich lange hart verteidigen musste und am Ende sogar auch noch mal die Chance hatte auf Gewinn zu spielen. Der Killerinstinkt darf nicht verloren gehen.
Aber alles in allem eine tolle Erfahrung! Es wichtig gegen stärkere Gegner zu spielen. So ein Turnier bringt einen weiter....
Anbei noch ein paar Impressionen vom Krefelder Schachclub Turm






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